Herr Hoffmann, go.digITal nennt sich das Transformationsprojekt, das Sie gerade in Angriff nehmen. Aus welchem Grund braucht Ihr Unternehmen eine Transformation?
Hoffmann: Es ist bei uns so wie bei vielen Companys, die schon lange am Markt sind: Die Firmen-IT ist in die Jahre gekommen. Um zukunftsfähig zu bleiben und unsere ehrgeizigen strategischen Ziele zu erreichen, müssen wir sie erneuern und werden dafür investieren. Dies nutzen wir für die digitale Transformation der Unternehmen, z.B. streben wir einen viel höheren Digitalisierungsgrad für alle Prozesse an. Nur so können wir viel mehr skalierbare Services anbieten, uns schneller im Markt bewegen und Kosten sparen.
Davon werden zuerst unsere Kunden, aber auch unsere Mitarbeiter profitieren, denn die höhere Effizienz wird sich in einer besseren Qualität und marktgerechteren Preisen unserer Produkte und Services widerspiegeln. Davon profitieren all unsere Geschäftsmodelle: Wir werden wettbewerbsfähiger und können schneller wachsen – und zwar in der gesamten Telekommunikationssparte von EnBW!
Das hört sich an wie der erste Schritt zur Verschmelzung von NetCom BW und Plusnet?
Hoffmann: Nein, das ist es nicht und das geht auch gar nicht so einfach. Bei der Digitalisierungsoffensive handelt es sich zwar um ein Projekt für die gesamte Telekommunikationssparte des EnBW-Konzerns. Auch sind Bernhard Palm und Veronika Bunk-Sanderson sowohl bei NetCom BW als auch bei Plusnet an der Geschäftsführung beteiligt. Aber wir sind nach wie vor zwei getrennte, unabhängig voneinander agierende Unternehmen, die teilweise unterschiedliche Gesellschafter haben.
Trotzdem liegt es nahe, dieses große Transformationsprojekt in beiden Unternehmen gleichzeitig zu starten, dabei eine einheitliche IT-Basis zu schaffen und für beide die gleichen Prozessen aufzusetzen. Das ermöglicht es uns, viel besser zusammenzuarbeiten und gemeinsam zu wachsen. Wir sind sehr froh, dass alle Gesellschafter dieser Vorgehensweise zugestimmt haben.
Wie wird diese Transformation dann praktisch aussehen?
Hoffmann: Sie fängt bei den Leitlinien unserer Arbeit an. Ob Netzplanung, Partnermanagement, Kundendienst oder unsere internen Prozesse: Überall lautet die Devise ab sofort „digital first“. So werden wir unseren Partnern und Kunden zum Beispiel viel mehr Self-Service-Möglichkeiten anbieten. Ein gutes Beispiel ist das Plusnet Portal, das schon zeigt, wohin es in Zukunft geht. Andere Stichworte sind die schnellere Bereitstellung von Services, automatisierte Abrechnungsprozesse und die Entwicklung modularer Produkte.
Sie sagten, dass Sie mehr skalierbare, modulare Services anbieten wollen. Bedeutet das auch mehr Standardisierung?
Hoffmann: Ja und Nein. Das Lösungsgeschäft bleibt für uns natürlich sehr wichtig. Aber individuelle Lösungen lassen sich natürlich auch mit standardisierten Modulen realisieren. Wir werden künftig einen großen Baukasten an Micro Services entwickeln, mit umfangreichen Konfigurationsmöglichkeiten, was die Umsetzung wesentlich erleichtern wird. Dies ermöglicht es uns, schnell neue individuelle Services bereitzustellen und uns so von Wettbewerbern zu differenzieren. Die Nutzung von neuen Möglichkeiten wie z.B. Data Analytics sind dabei die Basis.
Und keine Sorge: Was wir durch Automatisierung unserer Prozesse auf der einen Seite einsparen, wollen wir auf der anderen Seite in einen besseren, proaktiven Kundenservice und eine schnellere Produktentwicklung investieren.
Inwieweit betrifft die Digitalisierungsoffensive auch das Glasfasergeschäft?
Hoffmann: Das ist ein ganz wichtiger Punkt! Glasfaser ist ja die Technologie der Zukunft beim Internet-Access und die technische Basis all unserer Produkte und Lösungen. NetCom BW besitzt eine eigene Fiber-Infrastruktur mit einer Länge von 12.200 Kilometern. Plusnet hat gerade das gesamte aktive, 6.500 Kilometer umfassende Glasfasernetz der GasLINE GmbH erworben. Natürlich werden wir auch hier digitalisieren.
Plusnet arbeitet im Glasfaserbereich mit anderen Carriern zusammen. Welche Rolle spielt die Digitalisierung in diesem Zusammenhang?
Hoffmann: Unsere digitale Transformation ist gerade dafür entscheidend. Es ist ja so: Der Glasfaserausbau in Deutschland stellt eine gewaltige Aufgabe dar, die eine Zusammenarbeit vieler Unternehmen erfordert. Erfreulicherweise sind es immer mehr Akteure, die hier investieren. Zum Beispiel bauen viele Kommunen eigene Glasfaserinfrastrukturen auf. Sie suchen nach Partnern, die ihnen helfen, diese Breitbandnetze zu betreiben und auszulasten.
Wir sind sehr daran interessiert, hier viele Kooperationen einzugehen und wollen dafür die Idee des Open Access neu beleben: auf Basis von Glasfaser und vor allem hochautomatisiert zum Beispiel bei den technischen Schnittstellen für die Netzzusammenschaltung. Denn wenn wir partnerfähig sein wollen, müssen wir dafür Technologien einsetzen, die auf dem neusten Stand sind. Genau daran arbeiten wir.
Wie sieht die künftige Zusammenarbeit mit den anderen Partnern aus, zum Beispiel im Vertrieb?
Hoffmann: Das ist natürlich vor allem eine Frage in Bezug auf Plusnet, die ein viel größeres Netz von vertrieblichen Partner als NetCom BW hat. Die Kollegen bei Plusnet haben uns immer darauf hingewiesen, wie wichtig und erfolgreich die Zusammenarbeit mit allen ihren Partnern ist. Wir wollen sie durch die Digitalisierung natürlich dabei unterstützen, dass dies so bleibt. Wenn unsere Prozesse effizienter werden, profitieren auch die Partner davon. Unsere Abläufe werden transparenter, wir werden ihnen schneller unsere Vorleistungen und Produkte zur Verfügung stellen und sie erhalten viel mehr Freiheiten bei der Gestaltung. Unser Ziel ist, mit allen unseren Partnern zusammen jetzt Gas zu geben!
Wie geht man so eine Transformation an? Wie sieht Ihr Plan aus?
Hoffmann: Zum einen gibt es natürlich einen ambitionierten Zeitplan: Wir fangen dieses Jahr mit der Umsetzung an. Vor acht Wochen, Anfang Dezember, wurden alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in beiden Unternehmen informiert. In diesem Jahr beschäftigen wir uns zunächst mit kunden- und partnerrelevanten Themen. Ein strategisches Ziel ist, dass wir 2021 eine IT-Basis für eine bessere Produktverfügbarkeit schaffen und mehr Produkte aus beiden Unternehmen auch durch den Vertrieb der Schwester vermarktet werden können.
Bis 2025 wollen wir dann alle wesentlichen Bereiche digitalisiert haben: Das geht bis zur Implementierung von Data Analytics und Künstlicher Intelligenz. Zum anderen muss man sich natürlich mit der Methodik beschäftigen: Wir werden schrittweise vorgehen, dabei agile Methoden wie zum Beispiel Scrum und Design Thinking einsetzen und vor allem bereichs- und teamübergreifend arbeiten.
Welche Konsequenzen wird die Transformation für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben?
Hoffmann: Klar ist, dass sich damit das gesamte Unternehmen verändern wird, bis hin zu den Arbeitsplätzen. Wir werden wie gesagt anders zusammenarbeiten. Und es werden teilweise andere Fähigkeiten und Fertigkeiten benötigt als bisher, manche werden auch entfallen. Da wird es vielleicht an der einen oder anderen Stelle zu Umqualifizierungen kommen. Doch es handelt sich hier ja nicht um ein Personalabbauprogramm, sondern im Gegenteil um ein Wachstumsprogramm.
Übrigens war das Feedback der Belegschaften sowohl bei NetCom BW als auch bei Plusnet sehr positiv. Sie haben uns signalisiert, dass sie regelrecht darauf warten, dass wir uns mit neuen Technologien zukunftsfähig machen. Aufbruchsstimmung ist spürbar und viele sind total motiviert, uns dabei zu unterstützen.
Können Sie noch etwas zu Ihrer Motivation und Ihren Zielen sagen?
Hoffmann: Sehr gerne. Mir persönlich bietet dieses Projekt die einmalige Chance, zwei Unternehmen komplett zu modernisieren, agile Arbeitsweisen einzuführen und sie mit frischem Wind ganz nach vorne zu bringen. Hier passiert etwas ganz Großes! Die Erneuerung der IT fungiert als Game Changer und bietet die riesige Chance für NetCom BW und Plusnet, sich als Unternehmen komplett neu aufzustellen.
Mir ist wichtig, dass wir auch zu einer neuen Haltung kommen: Nicht Kostenorientierung sollte uns leiten, sondern die Frage, wie wir den Wert der Unternehmen steigern können. Und am allerwichtigsten ist, dass wir uns jetzt bei allem, was wir tun, die Kundenbrille aufsetzen.